Leben in Gemeinschaft – ganz konkret

Zusammen Filme anschauen, sich nachmittags zum Kaffeeplausch treffen oder auch sich ums Müllzimmer zu kümmern: in unseren Projekten gibt es eine enorme Bandbreite an gemeinschaftlichen Aktivitäten. Schließlich ist es eine der Grundideen der wagnis, dass jeder sich nach seinen Leidenschaften in das genossenschaftliche Leben einbringen kann (und soll). Und damit wird Gemeinschaft lebendig. Oft entsteht noch mehr daraus, nämlich ein Angebot für einen größeren Kreis, verbunden mit einer Vernetzung im Stadtviertel. Hier einige Beispiele:
Neary Wach, wohnt in wagnisPARK in Oberföhring und veranstaltet mehrmals im Jahr Lichtspiele für die Bewohnenden. Wie kam es dazu und wie muss man sich das vorstellen?
„Ich habe mir schon länger gedacht, dass gemeinschaftliche Filmabende schön wären. Ich hatte das sogar schon als Idee in mein Motivationsschreiben für meine Wohnung hier geschrieben. Und als wir dann ein Plenum hatten, in dem eine Nachbarin davon schwärmte, wie sehr sie sich über "Popcornkino" bei uns im Keller freuen würde, da hat es in meinem Kopf gleich angefangen zu rattern. Keine 2 Monate später gab es die Premiere der "wPARK-Lichtspiele".
Kino, das ist das zeitweise Eintauchen in eine andere Welt, und das bietet unser Gemeinschaftsraum im Keller, die sogenannte Orangerie. Woanders wäre es nur ein Filmabend, in der Orangerie ist es Kino. Die provisorisch aufgehängten Samtvorhänge an den Wänden, die Atmosphäre, die Musik, wenn man reinkommt, der Kinotrailer, der Vorfilm, vielleicht noch ein Filmgespräch. Vorab dürfen natürlich ein Filmplakat und eine spannende Ankündigung nicht fehlen. Es ist ein ganzheitliches Konzept. Ich versuche Filme auszusuchen, die noch nicht jeder gesehen hat, um aus jedem Lichtspielabend ein Ereignis zu machen. Dieser Eventcharakter ist mir wichtig. Mittlerweile haben wir auch eine fest installierte Filmleinwand und einen noch besseren, lichtstarken Beamer, beides Spenden aus der Bewohnerschaft. Inzwischen hat sich das Format rumgesprochen und es kommen auch Bewohner*innen von der benachbarten Genossenschaft zu den Abenden dazu.“
Seit über zehn Jahren findet im Juni bei wagnis1 am Ackermannbogen das Sonntagsdachterrassen-Frühstück statt. Christl Karnehm und Ariane Jungwirth hatten die Initiative dazu:
„Ariane wohnt direkt an der Dachterrasse und hat deshalb täglich vor Augen, was für einen Schatz wir hier haben, und ich war auch schon immer sehr gerne hier oben. Da lag es auf der Hand diesen Ort für ein großes Beisammensein mit den Bewohnenden zu nutzen. Beim Auf- und Abbau packen viele mit an, und jeder bringt etwas fürs opulente Buffet mit. Ein Highlight ist die Brat-Station von unserem Bewohner Franz Georg, an der Eier nach Wunsch gebraten werden. Bisher hatten wir auch meistens Glück mit dem Wetter. Nur einmal mussten wir in die überdachte Kulturpassage, unten vor dem Nachbarschaftstreff, ausweichen. Aber bei uns auf dem Dach ist es viel schöner!“
„Wir probieren das jetzt einfach aus“, dachten sich Monika und Gerhard Hüsken und ihr Mitstreiter Caspar Schwartz. Seit Februar 25 bieten sie in wagnisWEST in Freiham jeden Mittwoch ein Café für die Bewohnenden an – mit großer Resonanz:
„Die Idee ist entstanden, weil Caspar, Gerhard und ich uns schon öfter gedacht haben: Hier in Freiham fehlt ein Café mit leckerem Kuchen – und weil wir gerne Kuchen essen und backen. Die Genossenschaft Raumfair hatte in Freiham einmalig ein Kaffeetrinken fürs Quartier angeboten. Das hat uns so gut gefallen, dass wir beschlossen haben, einem regelmäßigen Café-Termin für die Bewohnenden von wagnisWEST in unserem Gemeinschaftsraum Leuchtturm anzubieten. Wir sind ganz entspannt rangegangen: Entweder das Café findet Anklang und dann freuen wir uns oder es gibt kein Interesse und dann überlegen wir uns was anderes.
Wir backen jeder einen Kuchen und dazu gibt es Kaffee von einer kleinen Kooperative in Nicaragua. Den vertreibt ein Nachbar bei uns im Projekt. Für beides gibt es eine Preis-Empfehlung. Mit den Einnahmen decken wir unsere Unkosten. Am Anfang haben wir gedacht, wir backen lieber Kuchensorten, die man gut einfrieren kann, falls viel übrigbleibt. Aber es gibt kaum Reste. Um die 30 Gäste kommen zu unseren Mittwochs-Terminen. Die Zusammensetzung variiert je nach Zeitpunkt: Zuerst kommen die Familien mit Kindern nach Kindergarten und Schule, am späteren Nachmittag die Leute, die zuhause arbeiten und eine Pause brauchen. Und die Rentner*innen mischen überall mit. Wir sind sehr glücklich, dass das Café so gut angenommen wird. Und es ist lustig, was sich bei den Treffen für neue Ideen entwickeln - von selbst Eis machen bis hin zu Cocktailabenden im Sommer.“
Nikola Hauswald hat nach ihrem Einzug bei wagnisRIO eine Gruppe für Improvisationstheater gegründet. Längst kommen die Teilnehmer*innen nicht mehr nur aus dem Wohnprojekt, sondern aus der gesamten Nachbarschaft.
„Ich habe mit meinem Mann Thomas vor dem Einzug in wagnisRIO an einem Improtheaterkurs der TATWORT-Gruppe teilgenommen. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht, war aber recht teuer und es war immer schwierig eine Babysitterin für unsere kleine Tochter zu organisieren. Als wir ins RIO-Haus zogen und plötzlich unseren eigenen Veranstaltungsraum direkt im Haus hatten, habe ich mich gleich daran gemacht eine Trainer*in zu suchen, die eine Improvisationstheater-Gruppe bei uns im Haus anleitet. Seit November 2022 leitet Karin Gordon unsere Gruppe „IMPROSANT“.
Wir treffen uns 14-tägig immer am Dienstag um 19 Uhr. Die Teilnehmer*innen kommen aus unserem Haus, das ja gemeinsam von Genossenschaftsmitgliedern der wagnis, der WOGENO und der „Kooperative Großstadt“ bewohnt wird, aus der gesamten Messestadt und aus Trudering. Durchschnittlich kommen acht bis zwölf Leute zwischen 18 und 65 Jahren. Toll ist, dass man seine Mitbewohner*innen und Nachbar*innen nochmal von einer ganz anderen Seite kennenlernt. Schon beim Aufwärmen verfliegt der Alltagsfrust. Wir lachen sehr viel. Und wir sind immer offen für Neueinsteiger*innen. Mehr Infos hier.
Die nächste Chance, IMPROSANT zu sehen, ist in unserem Saal WiLLY am 05.07.25. Das nächste größere Event wird unsere Gruppe sogar auf die Stadtteilbühne in der Kulturetage in den Riem-Arcaden führen: am 03.10.25 um 20 Uhr. Wir sind gespannt, wer alles kommt!“
Mit den richtigen Leuten macht jede Aufgabe Spaß: Renate Seemüller-Diamankakis und Susanne Römer kümmern sich um das Müllzimmer von wagnisRIO.
„Den Müllraum zu reinigen ist eine klassische Aufgabe der Selbstverwaltung in den wagnis-Projekten. Wir haben die übernommen und machen wöchentlich sauber, wischen und kehren den Boden. Besonders im Sommer ist das oft eine herausfordernde Aufgabe, wenn der Biomüll anfängt zu riechen und Maden in den Tonnen krabbeln. Die Kümmerer-Gruppe (insgesamt sind wir zu fünft) schreckt das nicht ab, sie wischt dann täglich den Rand der Tonnen sauber und verstreut Gesteinsmehl, um den Bioabfällen die Feuchtigkeit zu entziehen. Auch Besen haben wir bereitgestellt, damit alle Bewohner*innen selbst zur Kehrschaufel greifen können, wenn etwas neben der Tonne gelandet ist.
Den Müllraum zu reinigen klingt vielleicht erstmal nach einer wenig attraktiven Aufgabe, aber Susanne und ich machen sie mit viel Freude. Wir verstehen uns sehr gut, sind Menschen, die gerne zupacken und wir haben uns bei der Arbeit immer etwas Lustiges zu erzählen. Die Müllmänner sagen uns regelmäßig, unser Müllraum sei der Schönste von ganz München. Das liegt mit Sicherheit auch daran, dass wir ihn vor ein paar Jahren in Müllzimmer umgetauft und Poster und Kunstwerke an den Wänden aufgehängt haben. Das schafft eine freundliche Atmosphäre und ich bin überzeugt, dass die Bewohner*innen deshalb auch achtsamer mit dem Raum umgehen und ihn sauberer halten.“