Bring dein Ding
Eine Salatschleuder, Tassen, Weingläser und ein Puzzle für Kinder: viele Dinge warten im „Imma g’schenkt Häusl“ an der Immanuelkirche in Bogenhausen auf neue Besitzer*innen. Das Holzhäuschen gehört zu insgesamt 16 Kreislaufschränken, die der Verein Kreislaufschränke München e.V. betreibt. Anfang August konnte er sein fünfjähriges Bestehen feiern.
„Das ist ein Kreislaufschrank. Hier kannst du Gegenstände abgeben und kostenlos mitnehmen.“ Dieses Schild hängt an jedem Schrank, dazu eine Liste mit Regeln: zum Beispiel nur saubere und funktionstüchtige Dinge in den Schrank zu legen, keine Dinge, die für Kinder gefährlich sind, kein Essen und keine verbotenen Gegenstände. Hannah Patalong (39) ist die erste Vorsitzende des Vereins, sie wohnt mit ihrer Familie in wagnisRIO in der Messestadt. Zum Vorstand gehören noch ihr Mann Peter Patalong, außerdem Julia Schnell und Chris Ross (Bild oben, Foto: Kreislaufschränke München e.V.).
Den ersten „Umsonstschrank“ hatte im Februar 2020 eine Anwohnerin in Bogenhausen bei der Nazarethkirche initiiert. Hannah Patalong war von der Idee so begeistert, dass sie beschloss, hier aktiv zu werden. Das war die Initialzündung für den Verein Kreislaufschränke München e.V. Mittlerweile gehören ihm rund 50 Mitglieder an, dazu kommen noch über 200 freiwillige Helfer*innen, die die Schränke vor Ort betreuen.
„Es ist superwichtig, dass die Leute regelmäßig nach den Schränken schauen“, betont Hannah Patalong. Nur wenn es ein engagiertes Team vor Ort gibt, wird ein neuer Standort eröffnet. Der Renner sind übrigens Alltagsgegenstände wie Geschirr, Blumentöpfe und Spielzeug, aber auch Schuhe, ist die Erfahrung von Hannah Patalong. Mit ihrer Initiative will die Umweltplanerin und freiberufliche Yogalehrerin dazu beitragen, Müll zu vermeiden und Ressourcen zu schonen: „Mit uns kreisen die Dinge im Viertel und nicht um die Welt“, steht auf der Webseite des Vereins. Darüber hinaus beobachtet sie, dass Leute miteinander ins Gespräch kommen. „Hier gibt es Stoff für Unterhaltungen, da entstehen neue Kontakte; das fördert ein gutes nachbarschaftliches Miteinander“, sagt sie.
Dingen eine neue Wertschätzung zu geben und gleichzeitig Menschen miteinander zu verbinden: das schafft die neue Aktion „Bring dein Ding“, die in Zusammenarbeit mit der Hochschule München und dem Kulturzentrum Luise entwickelt wurde. Dazu lädt der Verein zu einem Treffen an einem Schrank ein, jede*r soll ein Ding mitbringen, das eine Geschichte hat. Reihum erzählen die Teilnehmer*innen die Geschichte ihres Gegenstandes und können ihn danach verschenken. Patalong: „Dadurch kommt man super miteinander in Kontakt. Wir haben das bisher schon viermal gemacht. Auch wenn ich von vielen Menschen den Namen nicht mehr weiß, so habe ich noch die Geschichte von dem Ding im Kopf.“ Die nächsten Termine finden in Haidhausen (am 24.9. ab 17 Uhr am Breisässer Platz) und in Untergiesing (am 25.9., ab 18 Uhr am Gans Woanders) statt.
Innovativ ist der Verein auch, was die Weiterentwicklung der Schränke betrifft. Waren die ersten Modelle noch Gartenhäuschen, so geht der Trend inzwischen zu Vitrinenschränken. Einer davon steht vor RIOriem, genannt RIO Grande. Der Vorteil dieses Modells: es ist leichter zugänglich und super pflegearm, erklärt die Vereinsvorsitzende. Denn die Gartenhütten sind auf Dauer weniger robust, darüber hinaus sind sie wenig einsehbar: bei rund 100 Besucher*innen am Tag wichtige Kriterien. Und leider haben die Helfer*innen auch schlechte Erfahrungen mit Vandalismus, Vermüllung und Verschmutzung gemacht.
Für sein Engagement hat der Verein in diesem Jahr eine Ehrung erhalten. Die Stiftung Daheim im Viertel zeichnete „Kreislaufschränke München e.V.“ im Rahmen des Münchner Nachbarschaftspreises mit dem ersten Platz aus. Das Preisgeld in Höhe von 10.000 Euro wird in die Anschaffung eines neuen Kreislaufschranks fließen, am Dom-Pedro-Platz in Neuhausen soll der nächste entstehen. In Planung ist ein Innovationsprojekt in Zusammenarbeit mit der Designhochschule Köln: es sieht ein barrierefreies Modell vor, das möglichst vielen Leute die Teilhabe ermöglichen soll.
Wer sich dafür interessiert, selbst einen Kreislaufschrank zu initiieren, kann sich gern an den Verein wenden. „Wir unterstützen bei dem ganzen Prozedere und geben rechtliche, finanzielle und organisatorische Hinweise“, erläutert Hannah Patalong. Sie kann sich gut vorstellen, noch an einem weiteren wagnis-Projekt einen Kreislaufschrank ins Leben zu rufen, „aber das müssen auch alle wollen“, sagt sie. Der Schrank darf nicht zu sehr im Innenhof stehen und muss gut erreichbar sein. So wie bei RIOriem, dort ist der Schrank direkt an der Willy-Brandt-Allee platziert. Zuvor hatte der Verein die Zustimmung des Plenums eingeholt. Nicht alle Bewohner*innen waren damals von der Idee begeistert. „Am Anfang waren ein paar Nachbar*innen skeptisch, aber mittlerweile haben wir alle überzeugt“, erzählt Hannah Patalong. Auch eine Testphase für vier bis sechs Monate mit einem mobilen Kreislaufschrank ist möglich.
Gesucht werden außerdem Helfer*innen mit Reparaturkenntnissen, die sich um kaputte Türen, Dächer und Regalbretter kümmern. Aber auch potenzielle Schrankpat*innen oder Standortkoordinator*innen können sich melden. Mehr Infos gibt es auf der Webseite des Vereins: https://kreislaufschraenke.de/
Fotos unten:
das "Imma g'schenkt Häusl" in Bogenhausen
der Schrank "RIO Grande" in der Messestadt
große Freude über den ersten Platz beim Münchner Nachbarschaftspreis: Julia Schnell, Hannah Patalong und Chris Ross (v.l., Foto Jan Scheutzow)