Büros zu Genossenschaftswohnungen
Unter welchen Voraussetzungen lassen sich Büros zu Wohnungen umbauen? Kann das ein tragfähiges Konzept für Genossenschaften sein? Damit beschäftigte sich ein von der mitbauzentrale München organisierter Fachaustausch im November. Auf dem Podium saßen Fachleute aus Planung, Baurecht, Finanzen und Stadtentwicklung und diskutierten mit Genossenschaftsvertreter*innen.
Dass das Thema viele Genossenschaften in München interessiert, zeigte der voll besetzte Raum. Der Umbau von Büro zu Wohngebäuden wird als Chance für den Klima- und Ressourcenschutz und als mögliche Antwort auf die Wohnungsnot in Großstädten gesehen.
Die Hans-Böckler-Stiftung konstatierte bereits Ende 2023 in Deutschland einen Bedarf von 1,9 Millionen an günstigen Wohnungen. Gerade die Großstädte wachsen stetig weiter. In München betrug der Bevölkerungszuwachs von 2005 bis 2023 rund 240.000 Einwohner*innen. Arne Lorz, Leiter der Hauptabteilung Stadtentwicklungsplanung in München, prognostizierte, dass in den nächsten Jahren weitere 20.000 Menschen als Arbeitskräfte nach München kommen. Der Wohnungsmarkt sei sehr angespannt, gleichzeitig gebe es bei Bürogebäuden stadtweit 9,7 Prozent Leerstand.
Rein architektonisch-technisch betrachtet gebe es klare Schlüsselfaktoren, um geeignete Projekte für eine kostengünstige Umwandlung vom Büro zum Wohnen zu definieren, betonte Professor Dr. Rudolf Hierl von Hierl Architekten: „Gebäude ab Mitte der 80er Jahren haben durch die erste Wärmeschutzverordnung von 1977 einen passablen Dämmstandard und sind statisch und schalltechnisch durch Flachdecken als Konstruktionsstandard sehr robust. Seit 1993 ist zusätzlich das Verbauen von Asbest verboten, so dass bei Gebäuden ab dieser Zeit die sehr kostenintensive Schadstoffentsorgung entfällt.“
Die bauordnungsrechtliche Seite beleuchtete Cornelius Mager, der 21 Jahre lang Chef der Münchner Lokalbaukommission gewesen war. Das Hauptproblem sei, dass bei Aufgabe der genehmigten Büronutzung der Bestandschutz erlischt und das neue (Wohnbau-)Vorhaben sich an den aktuellen Rechtsvorschriften messen lassen müssen, die vielfach deutlich teurer umzusetzen sind. Hier seien Sonderlösungen gefragt. Eine Chance zur Kostenreduzierung sieht er in der Erprobung neuer Bau- und Wohnformen, die derzeit unter dem Begriff „Gebäudetyp E“ erfolgt (Mehr zum Thema hier).
Von der Stadtentwicklung her müsse man sich immer den Einzelstandort ansehen, um zu entscheiden, ob ein Bürostandort für die Umnutzung zum Wohnen geeignet sei, betonte Thomas Rehn, Leiter der Lokalbaukommission München. So sei zum Beispiel Wohnen im Gewerbegebiet oft kaum zu genehmigen, selbst wenn künftige Mieter*innen sich das vorstellen könnten. Denn es gebe gesetzliche Vorschriften zu Lärmschutz und Co. und die künftige wirtschaftliche Entwicklung der Gewerbetreibenden nebenan dürfe nicht eingeschränkt werden. Die Stadt München arbeite derzeit an einer Stadtkarte, die potenziell geeignete Standorte ausweist.
Viele Genossenschaften suchen schon seit Jahren erfolglos nach einem Bestandsprojekt zur Umnutzung. Die großen Herausforderungen sind, ein bezahlbares Projekt zu finden und einen Investor, der bereit ist, über eine alternative Nutzung nachzudenken. Denn aus rein wirtschaftlicher Sicht bringen voll vermietete Büroflächen mehr Mietertrag als Wohnungen. Lieber lassen Investoren Büros über Jahre leer stehen und warten auf bessere Zeiten. Die Politik hat aktuell keine rechtlichen Möglichkeiten, dies zu verhindern.
Prinzipiell seien Genossenschaften prädestiniert für die Umnutzung von Büros zu Wohnungen, sagte Christian Hadaller von der Genossenschaft Kooperative Großstadt: „Wir sind nah dran an den Bedürfnissen unserer Mitglieder und können deshalb flexibel auf die im jeweiligen Bestandgebäude möglichen Nutzungen reagieren und eine Gruppe finden, die Lust auf dieses spezielle Projekt hat“.
Auch die wagnis hat, trotz aller damit verbundenen Herausforderungen, großes Interesse Büros zu Wohnungen umzubauen. Sie freut sich über Hinweise aus der Mitgliedschaft für potenziell geeignete Projekte (gern per E-mail an info@wagnis.org).
Weitere Lesetipps zum Thema:
- Thema Einfaches Bauen bei der wagnis: Gebäudetyp-e bedeutet nicht schlecht zu bauen - Intranet
- O₂H - Office to Housing | Hierl Architekten
- Baukulturbericht 22/23, “Neue Umbaukultur“: BBK_BKB-22-23-D.pdf
Foto Mitbauzentrale München, v.l.n.r: Cornelius Mager/Autor Office2Housing, Christian Haldaller/Vorstand Kooperative Großstadt, Prof. Dr. Rudolf Hierl/Architekt und Autor Office2Housing, Rainer Hoffmann/Architekt und Autor Office2Housing, Thomas Rehn/Leiter der Lokalbaukommission, Arne Lorz/Abteilungsleiter der Stadtentwicklungsplanung, Natalie Schaller, mitbauzentrale München.